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Die Quellen zu den Kaiserpriesterinnen

Wie können wir überhaupt etwas über Kaiserpriesterinnen wissen, wie sie hießen, wo sie lebten und wer ihre Verwandten waren? Schließlich ist seit der Antike reichlich viel Zeit vergangen. Es stellt sich also die Frage nach den Quellen, aus denen wir unsere Informationen beziehen. Und es gibt eine Quellengattung, die uns besonders viel über lokale Persönlichkeiten (Stadträte, Priester, Bürger etc.) verrät, die in der Literatur der großen römischen Historiographen wie Tacitus, Cassius Dio oder Livius meist nicht auftauchen. Die Rede ist von Inschriften, die, in Stein gemeißelt, die Jahrtausende überdauerten.

Inschriften wurden aus den verschiedensten Gründen hergestellt, deren Sinn und Zweck meistens aus ihrem Text hervorgeht. So gibt es im Falle der Kaiserpriesterinnen Grabinschriften, die für sie selbst oder von ihnen für Verwandte hergestellt wurden, oder auch Ehreninschriften, etwa wenn der Rat einer Stadt den Wunsch hatte, die Verdienste einer Priesterin zu würdigen. Besonders ist dies der Fall, wenn Kaiserpriesterinnen sich finanziell am Bau von Gebäuden oder architektonischen Monumenten beteiligt hatten. Aber auch Weihinschriften gehören dazu, die die Priesterinnen zu Ehren einer Gottheit oder eines Herrschers/einer Herrscherin anfertigen ließen.

Nun haben wir unsere Quelle, und dann? Es ist leider überhaupt nicht so, dass wir eine frisch entdeckte Inschrift lesen könnten wie ein Buch. Denn obwohl Inschriften die Zeit überdauern, erleiden sie dennoch häufig Schaden, sodass sie in Teilen schwer oder bisweilen gar nicht zu entziffern sind. Um jetzt aus einer Inschrift Informationen zu gewinnen, gibt es eine historische Hilfswissenschaft: die Epigraphik.

Die Epigraphik beschäftigt sich mit der Erforschung von Inschriften als Quellen und versucht, diese für die historische Forschung aufzubereiten. Wichtig sind dabei vor allem gute altsprachliche Kenntnisse, im Falle der Kaiserpriesterinnen Griechisch und Latein. Dazu kommt, dass antike Inschriften oftmals ganz eigene Formulierungen und Abkürzungen beinhalten, die für die Zeitgenossen klar, von uns heute jedoch erst erlernt werden müssen.

Wie sieht das Ganze also in der Praxis aus? Hier ist eine Beispielinschrift aus Hadrumetum (heute Sousse) in Tunesien. Der obere Text zeigt die originale Variante ohne Auflösung der typischen Abkürzungen, während der untere die nach den Regeln des Leidener Klammersystems komplettierte Version enthält.

Original

Avidiae C f Vitali / flam perp coloniae C I K/ Cn Salvius Saturninus / flam perp / ob merita

Aufgelöst

Avidiae C(ai) f(iliae) Vitali / flam(inicae) perp(etuae) coloniae C(oncordiae) I(uliae) K(arthaginiensis) / Cn(aeus) Salvius Saturninus / flam(en) perp(etuus) / ob merita

 

Auf Deutsch übersetzt heißt es ungefähr Folgendes:

Für Avidia Vitalis, Tochter des Gaius und flaminica (Kaiserpriesterin) Karthagos auf Lebenszeit, aufgrund ihrer Verdienste, von Gnaeus Salvius Saturninus, flamen (Kaiserpriester) auf Lebenszeit.

Die Formel ob merita (aufgrund der Verdienste) identifiziert diese Inschrift klar als Ehreninschrift, die für die Kaiserpriesterin Avidia Vitalis auf Veranlassung eines Kaiserpriesters namens Gnaeus Salvius Saturninus angefertigt wurde. Zudem wissen wir, dass sie eine Priesterin der Stadt Karthago war, die hier mit ihrem offiziellen Namen colonia Concordia Iulia Karthaginiensis genannt wird. Dass dabei so viele Abkürzungen verwendet wurden, hat wohl vor allem ökonomische Gründe, schließlich ist das Herstellen einer Inschrift alles andere als ein billiges Unterfangen. Also kürzte man am liebsten an den Stellen, deren Bedeutung jedem Leser bekannt war. So kürzten die Römer fast immer ihre Vornamen (Pränomina) ab, von denen es nur sehr wenige gab. Auch der Name der Stadt konnte von Zeitgenossen problemlos identifiziert werden, wenn man bedenkt, dass die Inschrift nicht weit von Karthago entfernt aufgestellt wurde.

Auch in der Gegenwart gibt es zahlreiche Abkürzungen, deren Bedeutung allgemein bekannt ist, so z. B. Dr. für Doktor oder geb. für geboren. Für Historiker, die ja nicht in diesem gesellschaftlichen Kontext aufgewachsen sind, sondern sich von außen hineinarbeiten müssen, ist es manchmal gar nicht so leicht, die für Zeitgenossen selbstverständlichen Abkürzungen zu entziffern. Doch auch dafür gibt es eigens angefertigte Verzeichnisse von Abkürzungen, die immer wieder auf Inschriften auftauchen.

 

Die Datenbank

Wie wir in der Inschrift zu Ehren der Kaiserpriesterin Avidia Vitalis gesehen haben, gibt allein der Inschriftentext eine Menge Informationen preis. Aber es gibt noch viel mehr äußere Informationen, die bei der epigraphischen Arbeit berücksichtigt werden müssen, so z. B. die Datierung der Inschrift, ihr Fundort, die Zeitschrift, in der sie publiziert wurde, sowie eventuelle Verweise zu wissenschaftlicher Sekundärliteratur, in der die Inschrift bereits erwähnt oder behandelt wurde. All dies sorgt dafür, dass wir eine große Menge an Daten haben, die irgendwie geordnet werden muss. Dafür verwenden wir eine Datenbank, aufgebaut mit dem Programm Microsoft Access.

Was sind die Vorteile einer Datenbank?

Der große Vorteil einer Datenbank liegt darin, dass Informationen zu einzelnen Inschriften schnell gesichtet werden können. Darüber hinaus erleichtert sie auch den Vergleich von Informationen aus verschiedenen Inschriften. Möchte man beispielsweise wissen, wie viele Priesterinnen den Namen Avidia trugen, muss man nur in der Tabelle Priesterinnen die Spalte name_1 konsultieren, in der alle Namen aller bekannten Priesterinnen aufgelistet sind. So erfährt man, dass nur eine Priesterin mit dem Namen Avidia bekannt ist.

Eine digitale Datenbank kann auch Grundlage für andere Projekte sein. So haben wir von der Alten Geschichte beispielsweise mit der Datenbank und mithilfe des geoinformatischen Programmes ArcGIS der Firma ESRI eine Karte erstellt, auf der alle Orte verzeichnet sind, an denen Inschriften gefunden oder an denen Kaiserpriesterinnen gewirkt haben. Wir haben  den Informationsgehalt der Datenbank in eine andere Form gegossen, um ihn aus einer anderen Perspektive zu betrachten.

Wie ist die Datenbank aufgebaut?

Es mag von außen betrachtet einfach klingen, die vorhandenen Daten zu ordnen, doch dem ist überhaupt nicht so. Unsere jetzige Datenbank hat eine lange „Evolution“ hinter sich, während der sie steten Optimierungsprozessen unterzogen wurde. Aktuell sieht sie so aus, dass die Informationen in verschiedenen Tabellen untergebracht sind. Das liegt daran, dass zu jeder Information verschiedene weiterführende Informationen vorhanden sind. So kann jede Priesterin einen oder mehrere Namenteile, eine bestimmte „Berufs“-Bezeichnung, einen Ort, für den sie zuständig ist, und einen, aus dem sie kommt, haben. Daher bietet es sich an, Informationen, die nur die Priesterin betreffen, in einer eigenen Tabelle zu präsentieren, während andere Tabellen beispielsweise für Inschriften da sind, die nur Informationen über diese enthalten. Dabei stehen viele Tabellen über IDs oder Primärschlüssel miteinander in Beziehung. Will man z. B. von einer bestimmten Inschrift zu den Infos über die Priesterin gelangen, findet man die ID der Priesterin in derselben Zeile der Tabelle, wo auch Informationen über die Inschrift enthalten sind. Durch die Kopier- und Suchfunktion kann man in der Tabelle Priesterinnen dieselbe ID und damit die zugehörige Priesterin finden.